Raqs Sharqi (klassischer orientalischer Tanz)

     

Elegante Sinnlichkeit

Der Raqs Sharqi ist der in Europa bekannteste und oft als "Bauchtanz" bezeichnete weibliche Solotanz, der mit den berühmten zweiteiligen, glitzernden und teilweise sehr aufreizenden Kostümen getanzt wird. Diese Kostümform stammt allerdings nicht aus Ägypten, sondern aus der Türkei und zum Teil auch aus Hollywood, von wo auch der Schleier Eingang in den Orientalischen Tanz fand. Der Schleier, der heute in der Regel den Tanz eröffnet, wurde erst um die Jahrhundertwende und von westlichen Tänzerinnen eingeführt und wird daher fälschlicherweise als zentrales Charakteristikum des Orientalischen Tanzes angesehen. Beim Begriff *Bauchtanz* handelt es sich um die Eindeutschung des englischen Begriffs *Belly Dance*, der in Amerika bei der Chicagoer Weltausstellung 1893 bekannt wurde. Aus Publicity-Gründen hatte man damals unter diesem Begriff eine neue Attraktion angepriesen.

Der Raqs Sharqi ist eine Mischung aus Baladi und diversen Tanztraditionen, bei dem man Elemente aus indischem, persischem, libanesischem und türkischem Tanz findet. Es handelt sich um den ausgefeiltesten und raffiniertesten Tanz der arabischen Welt, der schon seit dem 19. Jahrhundert in Europa Anlass zu Romantisierungen des Orients und der Schönheit seiner Frauen geführt hat. Mit gestrecktem Rückgrat und graziös über dem Kopf gehaltenen Armen wird beim Sharqi das Ballettideal  schwebender Bewegung und Schönheit ausgestreckter Linien verkörpert. Er wird eher auf dem Fußballen als auf der ganzen Sohle getanzt und dauert zwischen 15 und 30 Minuten.

Das erste ägyptische Kabarett, die Casino Opera, wurde 1926 von der syrischen Schauspielerin Badia Masabni in Kairo eröffnet. Durch westliche Unterhaltungsformen inspiriert, entschied sich Badia, dem ägyptischen Baladi im wahrsten Sinne mehr Raum zu geben. Bisher hatte man quasi immer nur auf der Stelle getanzt, nun wurde der zur Verfügung stehende Raum besser ausgenutzt.  Spielten Oberkörper und Arme bisher nur eine untergeordnete Rolle im Baladi, so begannen die Tänzerinnen nun, fließende, schlangenartige Figuren zu tanzen.

 

      

 

Zwei Frauen, die bei Badia lernten und die berühmtesten Tänzerinnen ihrer Zeit wurden, waren Tahia Carioca und Samia Gamal. Letztere brach als erste mit dem Habitus, immer barfuss zu tanzen und trat in hochhackigen Schuhen auf.

Während der Orientalische Tanz in Europa an Popularität und Ruf als angesehene Kunstform gewinnt,  hat sich der Ruf des Orientalischen Tanzes im Orient selbst leider in den letzten 2 Jahrzehnten sehr stark verschlechtert. Obwohl auch Samia Gamal und Tahia Carioca Mitte des 20. Jahrhunderts in sehr freizügigen Kostümen tanzten, wurden sie im ganzen Land als große Stars mit hohem Ansehen verehrt. Heute wird der Tanz leider oft nur als oberflächliche Touristenanimation genutzt und muss dabei stark an seinem künstlerischen Status und technischem Niveau einbüßen.

Text: Khaled Seif